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Kalium

Übersicht
Funktion am Herzen
Pathophysiologie und Pharmakologie


Übersicht

Einführung

Kaliumionen, im folgenden kurz als Kalium bezeichnet, sind an der Bildung des Ruhemembranpotentials beteiligt. Die intrazelluläre Konzentration entspricht (mit geringer Abweichung) der extrazellulären Natriumionenkonzentration von etwa 140 mmol/L. Das Serumkalium liegt physiologisch zwischen 3,5 und 5,5 mmol/L (im Mittel zwischen 4 und 5).

Das Aktionspotential von Zellen des Arbeitsmyokards sowie des Erregungsbildungs- und -leitungssystems wird von Natrium-, Calcium- und Kaliumströmen getragen, wobei die Kaliumströme für die Repolarisation verantwortlich sind. Kalium kann damit als Ion der Repolarisation aufgefasst werden.

Subtypen von Kaliumkanälen

Es existiert eine Vielzahl von Kaliumkanälen. Angaben über die Anzahl sind höchst unterschiedlich. Nach Ansicht Einzelner gibt es mehr Sorten von Kaliumkanälen als Körperzellen. Dieser kontroverse Diskurs zeigt in jedem Falle, dass die Kanäle am Herzen eine große Bedeutung haben. Es muss also einen ausreichenden Selektionsdruck gegeben haben, der das große Ausmaß an Varietät zustandegebracht hat.

Die für das Arbeitsmyokard quantitativ bedeutendsten sind der K+-Einwärtsgleichrichter (bedingt iK1) und der K+-Auswärtsgleichrichter (führt zu iK). Letzterer spielt ebenso eine bedeutende Rolle im Erregungsbildungs- und -leitungssystem. In beiden Fällen ist er an der Repolarisation beteiligt. Der Auswärtsgleichrichter ist spannungsgesteuert. Der Einwärtsgleichrichter wird durch Spermin verstopft, wenn die Membran depolarisiert. Bei Repolarisation wird Spermin aus der Kanalpore entfernt und der Kanal öffnet wieder. Beide reagieren also auf elektrische Aktivität.
Demgegenüber gibt es eine Vielzahl von Kaliumkanälen, die durch Transmittersubstanzen, Metabolite und andere Elektrolyte spezifisch aktiviert werden. Dazu zählen iK(ACh), iK(Na), iK(Ca) und iK(ATP). Diese durchlaufen also nicht den immer gleichen Zyklus von Depolarisation und Repolarisation, sondern sind vom Milieu abhängig. Das Milieu ist von verschiedenen lokalen Faktoren sowie der Stoffwechsellage abhängig. Die Aktivität der Kanäle ist damit also auch situationsabhängig.


Funktion am Herzen

Arbeitsmyokard

Siehe Herzaktion, Rolle der Elektrolyte - Arbeitsmyokard.

Erregungsbildungs- und Leitungssystem

Siehe Herzaktion, Rolle der Elektrolyte - Unterpunkt Kardiomyozyten des Erregungsbildungssystems.

Herzzyklus

Siehe Herzaktion, Rolle der Elektrolyte - Zustandekommen der Spannungslinienkurve des EKG.

EKG

Das EKG bildet die Erregungsausbreitung im Arbeitsmyokard ab. Da die Erregungsrückbildung schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit der Aktivität von Kaliumionenkanälen steht, spiegelt sich deren Wirken vor allem in der T-Welle wider.
Die Ventrikel besitzen jedoch kein Erregungsrückbildungssystem, daher ist die T-Welle kleiner und breiter als die R-Zacke. Da die Kardiomyozyten nicht synchron, sondern quasi zufallsverteilt repolarisieren, entspricht die T-Welle in grober Näherung einer Gauß-Verteilung.

Wird die Erregungsrückbildung durch verbesserte Kaliumleitfähigkeit erleichtert, so repolarisiert die Population der Kardiomyozten in kürzerer Zeit. Dies führt zu einer schmaleren und größeren T-Welle.

So erklärt sich auch die Veränderung der T-Welle bei Kaliumentgleisungen: Bei Hyperkaliämie nimmt die Leitfähigkeit für Kaliumionen zu, die T-Welle ist schmaler und höher; bei Hypokaliämie nimmt die Leitfähigkeit ab und im EKG zeigen sich breite und flache T-Wellen. Im Falle einer Hypokaliämie kann es dadurch auch zu einer biphasischen T-Welle kommen: Die repolarisierenden Zellen zerfallen in zwei Populationen, sodass eine zweite nachfolgende Welle entsteht.


Pathophysiologie und Pharmakologie

Kaliumentgleisungen

Immer wieder taucht die Frage auf, wie sich das Herz genau bei Kaliumstörungen verhält und warum. Die zunächst paradox klingende Antwort lautet, dass sowohl Hyper- als auch Hypokaliämien zu Tachyarrhythmien führen. Zu erwarten wäre, dass Hyperkaliämie zur Tachykardie und Hypokaliämie zur Bradykardie führt.
Wie kann das sein?

In beiden Fällen kommt es zwar zu Arrhythmien, jedoch ist der elektrophysiologische Hintergrund jeweils ein anderer. Vor allem aber muss zwingend zwischen milden und schweren Veränderungen des Kaliumspiegels unterschieden werden.

Um diesen Zusammenhang zu beschreiben sind fünf Betrachtungsebenen notwendig: das Ausmaß der Veränderung (mild, schwer), die Leitfähigkeit für Kalium in der Zellmembran, die Öffnungswahrscheinlichkeit, das Membranpotential und die Erregbarkeit der Zelle.

Hypokaliämie

a) schwache Hypokaliämie

Verringert sich der Serumkaliumspiegel mäßig, sinkt die Kaliumleitfähigkeit der Membran, die Öffnungswahrscheinlichkeit verringert sich. Es wäre zu erwarten, dass das Membranpotential der Zelle entsprechend positiver wird.
Der Grund: Das Membranpotential einer Zelle nähert sich dem Gleichgewichtspotential des Ions an, dessen Leitfähigkeit am höchsten ist. Wenn die Kaliumleitfähigkeit sinkt, entfernt sich das Membranpotential stärker vom Kaliumgleichgewichtspotential (der Einfluss aller anderen Ionensorten nimmt zu) - es wird positiver. Doch dazu kommt es nicht.

Nach Nernst wäre hingegen zu erwarten, dass es negativer wird:

EK = - 61 mV · lg (155 mmol/L ÷ 5 mmol/L)
EK = - 61 mV · (1,49)
EK = - 91 mV

Angenommen sei nun eine Hypokaliämie bei 4 mmol/L Serumkalium.

EK = - 61 mV · lg (155 mmol/L ÷ 4 mmol/L)
EK = - 96.8 mV

Zu dieser Negativierung kommt es jedoch auch nicht.

Vielmehr ist es wie folgt: die nach Nernst vorhergesagte Negativierung des Gleichgewichtspotentials und die eingangs dargestellte Positivierung werden, vereinfacht gesagt, miteinander "verrechnet", sodass sich im Mittel keine bzw. nur eine geringe Veränderung des Membranpotentials ergibt.

Exkurs:
Dies lässt sich durch ein Gedankenexperiment belegen:

Würde sich ceteris paribus die Kaliumleitfähigkeit nicht verändern, entspräche dies dem Membranpotentialverhalten nach Nernst (negativer bei Hypokaliämie).
Würde sich ceteris paribus das Membranverhalten nicht nach Nernst verhalten, sondern vorrangig von der Kaliumleitfähigkeit abhängig sein, wäre es positiver bei Hypokaliämie.
Eine Mittelung dieser beiden Ergebnisse ergibt keine Veränderung.

Anders formuliert: das Gleichgewichtspotential für Kalium steigt, während die Leitfähigkeit sinkt. Es ergibt sich eine gewisse Stabilisierung im Sinne eines Regelkreises.


Es ist hervorzuheben, welcher Zusammenhang zwischen Gleichgewichtspotential, Membranpotential und Kaliumkonzentration besteht: die Nernst-Gleichung berechnet das Kalium-Gleichgewichtspotential in Abhängigkeit von der Kaliumkonzentration. Sie sagt jedoch nichts über das Membranpotential in Abhängigkeit von der Leitfähigkeit aus, denn in die Nernst-Gleichung gehen die Leitfähigkeiten nicht ein - nur die Ionenkonzentrationen.

Klinisch tritt eine milde Tachykardie auf, sofern die Hypokaliämie mit einer gewissen Schnelligkeit eintritt, bei Patienten mit langsam-progredientem Verlauf kommt es ggf. sogar zu keinerlei kardialer Auswirkung. Letzteres wird dadurch unterstützt, dass weitere Kompensationsmechanismen den Effekt dämpfen.

b) starke Hypokaliämie

Nach Nernst wäre hier mit einer Hyperpolarisation zu rechnen. Das ist jedoch nicht der Fall.
Bei mittlerer und starker Hypokaliämie entfällt der "stabilisierende" Effekt und die Zelle verhält sich wie folgt. Die Leitfähigkeit für Kaliumionen sinkt und die Öffnungswahrscheinlichkeit der Kaliumkanäle sich verringert. Das Membranpotential entfernt sich stärker vom Kalium-Gleichgewichtspotential - es wird positiver.
Jedoch ist die Kaliumleitfähigkeit bei starken Hypokaliämien nur noch sehr gering, sodass das Membranpotential sich dem Gleichgewichtspotential mit der höheren Leitfähigkeit annähert - vornehmlich Natrium und Chlorid. Das sich mit Hilfe der Berechnung nach Nernst ergebende Gleichgewichtspotential wird mangels Berücksichtigung der Leitfähigkeit in der Nernst'schen Gleichung in seiner Bedeutung verdrängt.

Im Ergebnis kommt es daher zu einer Depolarisation der Zelle und am Herzen zu einer Tachykardie und ggf. später zur Tachyarrhythmie.

Hyperkaliämie

c) schwache Hyperkaliämie

Im Falle einer milden Hyperkaliämie gilt das gleiche wie bei der milden Hypokaliämie, nur entsprechend umgekehrt.
Es ist keine oder nur eine geringfügige Veränderung der Erregbarkeit der Zellen zu verzeichnen.
Falls es überhaupt zu Symptomen kommt, zeigen sich diese in einer milden Bradykardie durch die verringerte Erregbarkeit der Zellen.

Es gilt daher:
Im Bereich der milden Kaliumstörungen verhält sich das Herz unterschiedlich: Bei Hypokaliämie wird es ggf. leicht tachykard, bei Hyperkaliämie ggf. leicht bradykard.

d) starke Hyperkaliämie

Liegt eine starke Hyperkaliämie vor, kommt es zum deutlichen Überwiegen der Erregbarkeit der Zellen.
Von der womöglich noch bradykarden Situation der milden Hyperkaliämie findet ein Übergang in einen tachykarden Zustand statt.

Die Paradoxie liegt hier allerdings nicht im Übergang vom bradykarden in den tachykarden Zustand, sondern in der zunächst verringerten Erregbarkeit im milden hypokaliämischen Bereich.


Für Kaliumentgleisungen gilt daher:

«Schwache Kaliumstörungen führen zu unterschiedlichem Frequenzverhalten des Herzens. Schwere Kaliumstörungen führen zur Tachykardie. »

Es gilt außerdem: die Auswirkung einer Kaliumentgleisung hängt von der Geschwindigkeit, mit der sich der Kaliumspiegel verändert, ab. Rasche Veränderungen sind in der Regel Notfälle, während langsame Veränderungen, beispielsweise im Rahmen einer chronischen Niereninsuffizienz, oligosymptomatisch sein können.

Pharmakologischer Angriffspunkt

Die Blockade von Kaliumkanälen wird pharmakologisch genutzt. In der Einteilung der Antiarrhythmika nach M. Vaughan Williams finden sich in Klasse III die K+-Kanal-blockierenden Antiarrhythmika. Der wichtigste Wirkstoff dieser Gruppe ist Amiodaron.

Mehr zu Amiodaron und den Antiarrhythmika dieser Klasse findet sich hier:
https://www.rhythmologie.info/antiarrhythmika.shtml#klasse_iii.

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